Selbstmitgefühl

Selbstmitgefühl bedeutet, mit sich selbst so umzugehen, wie man es auch mit der besten Freundin oder dem besten Freund tun würde: mit Freundlichkeit statt mit Härte und Vorwürfen. Für uns Eltern suchtkranker Kinder ist das besonders wichtig, weil wir oft streng mit uns selbst umgehen, Schuldgefühle haben oder glauben, mehr leisten zu müssen. Selbstmitgefühl kann helfen, diese innere Härte zu lösen und wieder Kraft zu gewinnen.

Geprägt wurde der Begriff von der US-amerikanischen Psychologin Kristin Neff, die seit den frühen 2000er-Jahren zu self-compassion forscht. Ihre Studien zeigen: Wer Selbstmitgefühl übt, geht mit Belastungen leichter um, erlebt weniger Stress und kann besser mit Rückschlägen umgehen.

Selbstmitgefühl ist dabei kein Selbstmitleid und auch keine Ausrede, Verantwortung abzugeben. Es ist eine Haltung, die uns erlaubt, fairer mit uns selbst umzugehen – auch dann, wenn wir Fehler machen oder an unsere Grenzen stoßen.

Kristin Neff beschreibt drei Kern-Bestandteile:

Freundlichkeit mit sich selbst – nicht der größte Kritiker, sondern der eigene Unterstützer sein.
Gemeinsame Menschlichkeit – verstehen, dass Leiden und Scheitern Teil des Menschseins sind.
Achtsamkeit – wahrnehmen, was gerade geschieht, ohne es zu verdrängen oder zu übertreiben.

Gerade in der Selbsthilfe ist Selbstmitgefühl ein wichtiges Fundament: Es stärkt uns Eltern darin, nicht nur für unsere Kinder, sondern auch für uns selbst da zu sein – und Selbstfürsorge im Alltag überhaupt erst möglich zu machen.

Ein Beispiel aus dem Alltag

Viele von uns kennen Situationen wie diese: Wir haben wieder Geld gegeben, obwohl wir uns fest vorgenommen hatten, diesmal „Nein“ zu sagen. Oder wir haben wieder zugestimmt, obwohl wir genau gespürt haben, dass es unsere eigenen Grenzen überschreitet.

Anstatt uns danach mit inneren Vorwürfen zu überhäufen, könnten wir uns fragen: „Was würde ich meiner besten Freundin sagen, wenn sie sich so fühlen würde?“

Die Antwort könnte sein:
„Du warst in diesem Moment stark unter Druck. Es ist klar, dass es sehr schwerfällt, Nein zu sagen. Du darfst nachsichtig mit dir sein – und beim nächsten Mal hast du vielleicht die Kraft, entschlossener zu reagieren.“

Genau diese freundliche und zugleich realistische Haltung können wir uns selbst schenken. Sie hilft uns, aus Vorwürfen auszusteigen – und stattdessen mit mehr Verständnis und Mitgefühl auf uns selbst zu schauen.