Zwangseinweisung bei Minderjährigen – Meine Gedanken als Mutter (Susann)
Mit meinem Beitrag möchte ich betroffenen Eltern Mut machen, deren Kinder sich in ähnlichen Situationen befinden.
Es gibt für das Thema Suchterkrankung leider keine Blaupause, es gibt aber die ganz persönlichen Erfahrungen, die wir für uns nutzen können, um nicht den Mut zu verlieren, wenn wir Eltern an einem solchen Scheidepunkt im Leben gebraucht werden.
Kontrollverlust – Selbstgespräche – Wahnvorstellungen
Mein Sohn war damals 17 Jahre alt, seit fast vier Jahren Drogen abhängig und hatte scheinbar seit geraumer Zeit die Kontrolle über sein Leben und den Konsum verloren. Er war um 20 kg abgemagert, unruhig, körperlich vernachlässigt. Er führte Selbstgespräche, litt unter Wahnvorstellungen, hatte Gedankensprünge und schlief nicht mehr. Heute weiß ich, er war an einer Drogen indizierten Psychose erkrankt und lebt heute mit den Auswirkungen.
Eigenschutz und Fremdschutz
Für uns als Eltern gab es keine Zweifel, wir mussten ihn auch gegen seinen Willen, zu seinem eigenen Schutz, in die Psychiatrie einweisen. Ein so kranker Jugendlicher kann in dem Zustand überhaupt keine weitgreifenden Entscheidungen treffen und da sehe ich uns Eltern in der Pflicht, mit allen Konsequenzen einzuschreiten. An der Stelle möchte ich unbedingt betonen, dass es alternativlos war.
Wir als Eltern hatten in dieser bedrohlichen Situation keine andere Wahl, als unseren Sohn vor sich selber und auch vor anderen zu schützen, um somit sein LEBEN zu retten. Ich werde es komprimiert zusammenfassen und dabei auf die wichtigsten Punkte eingehen.
Einweisung in die Psychiatrie
Er wurde von uns in die Notaufnahme der Psychiatrie gebracht und dort sagte man uns: „wenn ihr Sohn den Rausch ausgeschlafen hat, wird es ihm in ca. 3 Tagen besser gehen“. Es folgte unsererseits die Androhung, unterlassene Hilfeleistung an die Presse und den Anwalt weiter zu geben. Nachdem unser Sohn dort zur Ruhe kam und das schilderte, dass er unteranderem Stimmen hören würde, die ihm befahlen sich vom Hochhaus zu stürzen und er fest davon ausging, dass wir alle seine Gedanken hören würden, wurde er sofort aufgenommen.
Drei Wochen Entgiftung folgten, er distanzierte sich von uns, beschimpfte uns, ließ sich am Telefon verleugnen. Blutwerte waren so erschreckend, dass sein Körper aufgrund der toxischen Substanzen vor einem Kollaps stand. Die Klinik erstellte ein Gutachten, denn mein Sohn zeigte uns wegen Freiheitsberaubung an. Es folgte seine Flucht aus dem Krankenhaus, die Fahndung nach ihm und schließlich brachte die Polizei ihn nach 8 Stunden zurück.
Geschlossene Psychiatrie
Das Familiengericht wurde eingeschaltet und es kam zu mehreren Ortsterminen, wo sich die Richterin ein genaues Bild von seinem Zustand und Erkrankung machen konnte. Zu dem Zeitpunkt verweigerte er zusätzlich die Einnahme der Medikation. Es folgten mehrere Ortstermine seitens des Gerichtes mit uns als Familie. Die Richterin stellte die Schwere der Erkrankung und die notwendige Unterbringung für zunächst drei Monate in der dortigen geschlossenen Psychiatrie fest. Er wurde von der Schule mit den notwendigen Unterlagen abgemeldet und bis auf weiteres krankgeschrieben.
Medikation
Zu dem Zeitpunkt hielt er nur noch Kontakt zu seinen Geschwistern. Aufgrund der verschiedenen Substanzen, die noch in seinem Blut waren, dauerte die Entgiftung länger und es konnte auch erst verzögert mit der therapeutischen Arbeit begonnen werden. Er hatte der Medikation am Ende zugestimmt, denn er konnte aufgrund des Stimmenhörens weder richtig schlafen noch therapeutisch irgendetwas leisten und seine wahnhafte Ideen konnten so auch nicht unter Kontrolle gebracht werden.
Leider hatte das Präparat der Wahl so starke Nebenwirkungen, dass mein Sohn sich erneut bedroht und kontrolliert fühlte und daraus resultierte, dass er die Tabletten im Beisein der Schwestern zwar vorgab einzunehmen, sie jedoch sofort ausspuckte. Man war vor Ort zu keinem Kompromiss bereit und hat ihm kein anderes Präparat gegeben. Die Klinik wollte zu einem schnellen Fortschritt kommen und da war nur das Medikament das Mittel der Wahl. Mein Sohn hatte unglaubliche Wahnvorstellungen in Bezug auf das Medikament. Er glaubte man wolle ihn manipulieren und lebe da fremdgesteuert durch die Psychose. Da er ihnen auf Dauer zu unbequem erschien, nicht kooperierte und sie keinen Fortschritt sahen, wurde er nach den drei Monaten sofort entlassen.
Entlassung und Ausblick
Es erfolgte ein kurzer Anruf bei mir, dass wir unseren Sohn zwei Tage später abholen könnten. Das war erstmal ein Schock für mich, denn mir war nicht klar, dass sie dann kurzen Prozess machen und ihn aufgrund mangelnder Kooperation entlassen. Es war klar, dass er denen zu anstrengend wurde, denn eine therapeutische Arbeit unter einer Psychose geht nur unter der Voraussetzung, dass die Medikation greift. Allerdings ließen die Symptome der Psychose deutlich nach, denn nach den Monaten waren auch keine toxischen Rückstände mehr im Blut und er hörte zwar noch die Stimmen und war körperlich unruhig, doch war er schon ein anderer Mensch nach dem Klinikaufenthalt.
Rückblickend kann ich sagen, dass die Zwangseinweisung und das ganze rechtliche Verfahren in dem Moment für uns alternativlos und absolut das einzig richtige waren. Der ganze Widerstand und die Kämpfe haben unserem Sohn auf seinem Weg geholfen. Es hat auch gezeigt, dass er aufgrund seiner damaligen Minderjährigkeit und daraus resultierenden Dringlichkeit, gut in das medizinische Netz integriert ist und es an einigen Stellen im Anschluss schneller und einfacher möglich war, gezielte Hilfe zu bekommen. Das dortige Jugendamt wurde mit eingeschaltet und wir konnten weitere Maßnahmen einleiten, die zwar für unseren Sohn nicht passten, aber auch das ist eine wichtige Erkenntnis. Denn für den Weg in die Abstinenz gibt es keine vorgefertigten Pläne.
Ein Baustein bei der Begleitung
Diese Maßnahme ist ein Baustein in der gesamten Suchtgeschichte meines Sohnes und hat ihm gezeigt, dass er uns niemals egal ist und heute, vier Jahre später ist er uns unendlich dankbar dafür, dass WIR ihn vor dem schlimmsten bewahrt haben.
Es ist mir wichtig zu betonen, dass ich mich in den Ausführungen auf den Teil beschränkt habe, der sich auf die PROBLEMATIK DER ZWANGSEINWEISUNG beziehen und mich da ziemlich kurz gefasst habe. Sollten beim Lesen Fragen entstanden sein, stehe ich gern zur Verügung. Susann
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