Verarbeitung und Vergebung
Wie kann ich als Mutter vergangene traumatische Erlebnisse mit meinem suchtkranken Kind verarbeiten und verzeihen?
Jeder Weg der Verarbeitung und des Vergebens ist individuell, und es gibt kein schnelles oder einfaches Rezept. Ich kann nur von meiner eigenen Erfahrung berichten. Mein Sohn hat mich, während eines psychotischem Schubs schwer verletzt, so dass ich mehrfach operiert werden musste und bis heute noch gesundheitliche Einschränkungen habe. Der Aufenthalt im Krankenhaus war belastend für mich. Als Mutter und Opfer fühlte ich mich allein und hilflos.
Ich wandte mich an den weißen Ring und bekam Unterstützung von einem ehrenamtlichen Polizisten. Seine Ratschläge gaben mir neuen Mut und ich beschloss, professionelle Hilfe bei einem Therapeuten zu suchen. In den Therapiesitzungen konnte ich endlich meine Gefühle verstehen und lernen, mit ihnen umzugehen. Es war wichtig, meine Emotionen anzuerkennen und Raum für sie zu lassen. Besonders die Trauer, Wut und Verletztheit musste ich zulassen und durchleben. Der Weg war herausfordernd, aber machbar.
Ich habe mir und meinem Sohn Grenzen gesetzt, um mich vor weiterem Schaden zu schützen. Es war mir wichtig, eine Selbstfürsorge-Routine zu entwickeln, die meine eigenen Bedürfnisse berücksichtigte und sich nicht nur auf das Wohlbegehen meines suchtkranken Kindes konzentrierte. Ich habe überlegt, ob es mir helfen würde, meinem Kind zu verzeihen. Als ich dazu bereit war, suchte ich nach dem richtigen Zeitpunkt und Ort. Dies geschah schließlich in der Forensik, wo mein Sohn war. Es dauerte jedoch eine Weile, bis ich ihm wirklich vergeben konnte, abhängig von seiner Bereitschaft und seinem Verhalten.
Ich habe mir selbst auch verziehen. Es ist normal, als Elternteil Schuldgefühle zu haben oder sich selbst Vorwürfe zu machen. Ich erinnere mich daran, dass ich mein Bestes gegeben habe und niemand perfekt ist. Ich habe mein Schicksal angenommen! Anja
Nachricht an meinen Sohn:
An meinen Sohn Verzeih mir, dass ich nicht gesehen habe, dass du zwischen deiner Mama und deinen Schwestern auch eine männliche Bezugsperson gebraucht hast. Statt für dich da zu sein, habe ich viel zu viel meine eigene Situation gesehen und dir nicht gegeben, was du brauchtest. Dein Papa
Brief an mein Kind:
Mein liebes Kind, Lass uns einander verzeihen für all die Fehler und Missverständnisse, die in der Vergangenheit passiert sind. Ich weiß, dass wir beide Fehler gemacht haben und dass es manchmal schwierig war, einander zu verstehen. Aber ich glaube, dass wir zusammenhalten können und dass wir gemeinsam wachsen und uns entwickeln können.
Ich verzeihe dir für all die Dinge, die dich belastet haben und die dich zu deiner Suchterkrankung gebracht haben. Ich bin bereit, dich zu unterstützen und dir zu helfen, wo immer ich kann. Ich möchte dir dabei helfen, deine Stärke und deine Kraft wiederzufinden. Und ich hoffe, dass du mir auch verzeihst für all die Fehler, die ich gemacht habe. Ich weiß, dass ich manchmal hart zu dir war und dass ich nicht immer die beste Art hatte, Dinge auszudrücken. Aber ich liebe dich, und ich möchte das Beste für dich.
Ich glaube, dass wir gemeinsam durch Vergebung und Liebe Frieden finden können. Und ich bin dankbar dafür, dass ich dich und deine Brüder als meine Kinder habe. Deine Mom Anja