Wir haben mit Sören gesprochen, um die Gefühlswelt hinter der Sucht besser zu verstehen. Es geht um innere Zerrissenheit, Höhen und Tiefen und darum, was es braucht, um aus dem Gefühlschaos auszubrechen und neue Hoffnung zu finden.
Was steckt hinter dieser Aussage, die wir in einem anderen Interview von dir gehört haben: „Ich halte mich nicht aus.“
War dieser Gedanke ein Schlüsselmoment für dich?
Sören: Er wurde mit der Zeit ein Schlüsselmoment. Dann als er endlich gehört und wahrgenommen wurde, als ich auf die richtigen Therapeuten traf, die mir diese Aussage glaubten.
Wie beschreibst du den langen Weg und den inneren Kampf, der dich zu dieser Aussage geführt hat?
Sören: Sehr holprig, mit vielen Höhen und Tiefen. In den Tiefen suchte ich verzweifelt nach Hilfen, die mich wahrnehmen mit meinen inneren Kämpfen, konnte sie lange jedoch auch überhaupt nicht beschreiben und in Worte fassen. Ein starker Kerl, später eine starke Führungskraft „darf doch keine Ausfälle zeigen“… In den Höhen meiner bisherigen Reise war oft alles vergessen. „Es lief doch alles so gut“, da waren Beziehungen, da war der Erfolg im Beruf, da waren die Masken die so gut funktionierten – DANN BEGANN DER FREIE FLUG IN DAS EMOTIONALE ZERBRECHEN.
Welche Gefühle waren mit diesem Gedanken verbunden?
Sören: Verzweiflung und Hilflosigkeit. Unglaublich viel Unruhe, die mich einfach so rastlos gemacht hat. Tausende Explosionen gleichzeitig im Körper. Ich hielt mich nicht aus und fing an, meine diversen Mittel zu nutzen, um mich aushalten zu können und diese Unruhe, gepaart mit der starken Energie & parallelen Erschöpfung in mir los zu werden.
Wie hast du die Kraft gefunden, aktiv zu werden? Was hat dich motiviert?
Sören: Tatsächlich bin ich mit jedem Rückfall [sowohl Verhalten als auch Konsum] etwas schlauer geworden, habe dazu gelernt. Ein halbes Jahr nach der 5. Ehrenrunde […ich war 30] habe ich mir das allererste Mal VOR einem Rückfall Hilfe gesucht. Da waren keine Mittel, kein Stoff, kein Alkohol, sondern ein Versprechen an meine heutige Ehefrau, dennoch waren da auf einmal wieder die Explosionen und diese unglaubliche Unruhe, während ich körperlich komplett ausgelaugt am Bett fest klebte.
Ich habe hier in Düsseldorf Kaiserswerth eine psychosomatische Klinik in Reichweite die mir in der Situation unglaublich geholfen hat. Mich umgehend aufgenommen hat, mir zugehört hat, mir geglaubt hat und mit mir angefangen hat, 30 Jahre Chaos und Verhaltensmuster aufzuarbeiten.
DAS IST MEIN PERSÖNLICHER SCHLÜSSELMOMENT. Mir wurde zugehört, mir wurde geglaubt, ich musste mich für nichts rechtfertigen.