Kommunikationsübung: Offene Fragen stellen
Oft stellen wir unseren Kindern Fragen, die in erster Linie schnelle Antworten ermöglichen: „Warst du beim Termin?“ – „Hast du dich darum gekümmert?“. Damit stillen wir zwar unser Bedürfnis nach Klarheit, aber für ein Gespräch bleibt kaum Raum. Die Antwort ist meist ein knappes „Ja“ oder „Nein“ – und beide Seiten sind nicht wirklich in Kontakt.
Versucht es öfter mal mit einer Offenen Frage. Sie beginnen meist mit Wie, Was, Womit, Woran oder Welche… und laden das Gegenüber dazu ein, mehr von sich zu erzählen. Eigentlich wissen wir das alle, doch im Alltag rutscht es schnell aus dem Blick. Umso wichtiger ist es, sich dieses Werkzeug immer wieder bewusst zu machen.
Diese Übung hilft, alte Fragemuster bewusst zu durchbrechen und stattdessen offene Fragen einzusetzen.
Die Übung:
- Achte im Gespräch darauf, wie du eine Frage stellst. Handelt es sich um eine geschlossene oder offene Frage?
- Versuche die Frage so zu formulieren, dass sie nicht nur mit Ja oder Nein beantwortet werden kann.
Beispiel: statt „Warst du beim Termin?“ → „Was hat dir der Termin gebracht – oder was war schwierig daran?“ - Beobachte, wie sich das Gespräch verändert.
- Wiederhole das im Alltag, um nach und nach neue Gesprächsgewohnheiten zu entwickeln.
Umsetzung im Alltag
Notiere dir eine geschlossene Frage, die du deinem Kind oft stellst. Überlege dann:
- Wie kann ich dieselbe Frage so umformulieren, dass sie mehr Raum für eine Antwort lässt?
- Wie könnte ich statt nach Fakten eher nach Erleben oder Gefühlen fragen?
Probiere deine neue Formulierung beim nächsten Gespräch aus – und achte darauf, ob sich die Gesprächsatmosphäre verändert.
Erfahrungen einer Mutter:
„Ich habe direkt am ersten Tag nach dem Elterntraining nach meiner üblichen geschlossenen Frage gestutzt und dann eine offene Frage nachgeschoben und habe nach langer Zeit wieder mit meinem Sohn ein Gespräch führen können! Das war für beide Seiten eine sehr positive Erfahrung.“
Kommunikationsübung: Ohne Vorwürfe auf Augenhöhe
Wenn wir uns Sorgen machen oder unter Druck stehen, rutschen schnell Vorwürfe heraus: „Du meldest dich nie!“ – „Du reitest dich immer tiefer rein – merkst du das eigentlich gar nicht?“. Solche Aussagen machen unser Bedürfnis zwar hörbar, doch sie verletzen und führen meist zu Abwehr oder Rückzug. Ein Gespräch auf Augenhöhe gelingt leichter, wenn wir Vorwürfe vermeiden und stattdessen über uns selbst sprechen.
Die Übung:
- Stopp-Moment einbauen
Erkenne den Impuls, deinem Kind einen Vorwurf zu machen – und halte kurz inne. - Gefühl statt Schuld benennen
Überlege: Was fühle ich gerade wirklich?
Beispiel: Statt „Du meldest dich nie!“ → „Ich werde unsicher, wenn ich so lange nichts von dir höre.“ - Bedürfnis ausdrücken
Mach deutlich, was dir wichtig ist.
Beispiel: „Mir gibt es Ruhe, wenn wir uns kurz absprechen.“ - Offene Einladung formulieren
Ermutige dein Kind, sich einzubringen.
Beispiel: „Wie könnten wir einen Weg finden, dass wir beide damit gut umgehen?“
Beispiele für Umformulierungen:
- „Du hältst dich nie an unsere Absprachen.“
→ „Ich fühle mich hilflos, wenn Absprachen nicht eingehalten werden. Mir ist Verlässlichkeit wichtig. Wie schaffen wir das besser?“ - „Du reitest dich immer tiefer rein – merkst du das eigentlich gar nicht?“
→ „Ich mache mir große Sorgen, wenn ich sehe, wie schwer es dir gerade fällt. Mir wäre wichtig, gemeinsam nach Wegen zu schauen, die dir helfen könnten.“ - „Immer kommst du zu spät!“
→ „Ich werde unruhig, wenn es so spät wird. Mir wäre wichtig, dass wir uns pünktlich sehen. Was meinst du?“
Umsetzung im Alltag:
Nimm dir einen Moment Zeit und schreibe einen Vorwurfs-Satz auf, den du deinem Kind schon gesagt hast oder innerlich oft denkst. Formuliere ihn dann in eine Ich-Botschaft um:
Was fühle ich wirklich?
- Welches Bedürfnis steckt dahinter?
- Wie kann ich es so ausdrücken, dass es auf Augenhöhe bleibt?
Diese kleine Übung macht bewusst, wie sehr die Wortwahl die Gesprächsatmosphäre verändert – und sie hilft, Schritt für Schritt neue Muster zu entwickeln.
Kommunikationsübung: Zuhören
Wir Eltern wollen helfen und bieten oft Lösungen an oder geben ungefragt Ratschläge. Doch manchmal brauchen unsere Kinder vor allem eins: jemanden, der ihnen einfach zuhört. Wirkliches Zuhören bedeutet, präsent zu sein, ohne sofort zu bewerten oder mit Antworten bereit zu stehen. Es schafft Raum, dass unser Kind seine eigenen Gedanken sortiert und vielleicht sogar eigene Lösungsansätze entdeckt.
Die Übung (im Elternkreis oder zu zweit zu Hause):
- Thema wählen
Eine Person erzählt von einer Veränderung, die sie umsetzen möchte (z. B. gesünder leben, mehr Ruhezeiten einbauen, mehr Bewegung). Wichtig: Es sollte ein Thema sein, bei dem noch Ambivalenz besteht – also etwas, das man einerseits möchte, andererseits aber auch Hindernisse oder Zweifel spürt. - Rolle des Erzählers
Erzähle frei heraus, ohne dass es perfekt klingen muss. Beschreibe deine Gedanken, deine Zweifel, deine Hoffnungen. Versuche, ehrlich bei dir zu bleiben. - Rolle des Zuhörers
- Höre aufmerksam zu – ohne zu unterbrechen.
- Stelle Verständnisfragen, um wirklich zu verstehen („Wie meinst du das?“ / „Kannst du das näher erklären?“).
- Stelle offene Fragen, die den Blick weiten („Was spricht für diese Veränderung? Was spricht dagegen?“ / „Was könnte dich unterstützen?“).
- Erlaubt sind auch Fragen nach möglichen Hindernissen („Was könnte dich ausbremsen?“) oder Ressourcen („Was hat dir in ähnlichen Situationen schon mal geholfen?“).
- Nicht erlaubt sind Bewertungen („Das ist doch Quatsch“) oder Ratschläge („Ich würde an deiner Stelle…“).
- Wechseln
Nach einigen Minuten werden die Rollen getauscht. So erlebt jeder einmal, wie es ist, nur zuzuhören – und wie es sich anfühlt, ohne Ratschläge sprechen zu dürfen.
Beispiel-Fragen für Zuhörer
- „Was würde sich für dich ändern, wenn du diese Veränderung umsetzt?“
- „Welche Vorteile hättest du dadurch?“
- „Welche Nachteile oder Schwierigkeiten siehst du?“
- „Was könnte dir Mut machen, den ersten Schritt zu gehen?“
- „Was könnte dich bremsen oder unsicher machen?“
Reflexion
Im Anschluss tauscht euch aus:
- Wie war es für den Erzähler, wirklich gehört zu werden, ohne dass Ratschläge kamen?
- Wie war es für den Zuhörer, sich zurückzuhalten und nicht sofort Lösungen vorzuschlagen?
- Was könnt ihr aus dieser Erfahrung für Gespräche mit euren Kindern mitnehmen?
Umsetzung im Alltag
Probiert diese Haltung auch im Gespräch mit euren Kindern: weniger Ratschläge, mehr Zuhören. Stellt Fragen, die euer Kind einladen, über sich selbst nachzudenken, statt es in die Defensive zu drängen. Oft ist es überraschend, wie viel mehr man erfährt, wenn man den Raum einfach offenhält.