Erfahrungsexperte & Jugendcoach: Simon Batta

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Interview mit Simon Batta

Simon war viele Jahre drogenabhängig und ist in dieser Zeit auch straffällig geworden. Heute coacht er Jugendliche. Wir haben mit ihm über die verschiedenen Stationen seines Lebens gesprochen.

Wie hast du dich selbst während der Konsumzeit erlebt? Hattest du Zweifel?

Simon: Als ich mitten im Konsum steckte, war mein Blick auf mich selbst komplett verzerrt. Ich habe meine Realität schöngefärbt und mich immer wieder selbst belogen, um das eigene Verhalten zu rechtfertigen. Klar gab es auch Momente des Zweifels – meistens dann, wenn die Drogen ihre Wirkung verloren hatten und der Spiegel der Wahrheit kurz aufblitzte. Diese Momente waren schmerzhaft, aber ich habe sie schnell weggedrückt. Zweifel bedeuten Veränderung – und davor hatte ich damals Angst.

Welchen Einfluss hatten deine Eltern auf dein Konsumverhalten?

Simon: Meine Eltern hatten, ohne es zu wollen, einen großen Einfluss. Die familiären Strukturen, das, was unausgesprochen blieb, die Erwartungen, die nicht zu mir passten – all das hat mich mitgeprägt. Es war weniger das, was sie taten, sondern eher das, was fehlte: echte emotionale Nähe, Verständnis, Raum für meine eigene Entwicklung. Ich habe versucht, dieses Loch auf meine Art zu füllen – mit Substanzen.

Was war der ausschlaggebende Punkt, der dich zur Veränderung bewegt hat?

Simon: Es gab keinen einzigen großen Moment, sondern eine schleichende Erkenntnis, dass ich entweder so weitermache und daran zerbreche – oder dass ich mein Leben selbst in die Hand nehme. Irgendwann war der Schmerz, so zu leben, größer als die Angst, mich zu verändern. Dieser innere Schmerz hat mich angetrieben, wirklich einen neuen Weg zu gehen.

Warum war das Boot Camp – ein intensives, strukturiertes Programm mit klaren Regeln und körperlicher Aktivität – für dich so wirksam?

Simon: Das Boot Camp hat mir zum ersten Mal Grenzen gesetzt, die ich akzeptieren musste. Es war klar, hart und fordernd – aber gleichzeitig auch ehrlich und wertschätzend. Ich konnte dort keine Masken mehr tragen. Es hat mir Struktur, Disziplin und vor allem eines gezeigt: dass ich viel mehr aushalten kann, als ich jemals geglaubt habe. Es hat mein Selbstbild neu geformt.

Hast du noch Kontakt zu deinen Eltern? Konntet ihr Vergangenes miteinander klären?

Simon: Ja, ich habe noch Kontakt, allerdings nur zur meiner Mutter. Es war ein langer und oft schmerzhafter Weg. Vieles konnten wir aufarbeiten, manches bleibt unausgesprochen stehen – und das ist auch in Ordnung. Heute gibt es ein ehrliches, respektvolles Verhältnis. Wir haben gelernt, uns mit unseren Narben zu akzeptieren.

Was glaubst du ist der größte Konflikt zwischen drogensüchtigen Kindern und ihren Eltern aus deiner Sicht als Betroffener und als Jugendcoach?

Simon: Der größte Konflikt liegt oft in der Sprachlosigkeit und dem tiefen Misstrauen auf beiden Seiten. Eltern wollen helfen, wissen aber nicht wie. Jugendliche fühlen sich kontrolliert oder nicht verstanden und ziehen sich zurück. Alte Verletzungen und gegenseitige Vorwürfe verhindern echte Nähe. Vertrauen, das schon oft gebrochen wurde, wieder aufzubauen – das ist der größte Kampf.

Wie könnte man diese Konflikte entschärfen aus deiner Sicht?

Simon: Es braucht Geduld, Ehrlichkeit und die Bereitschaft, nicht sofort Lösungen zu erzwingen. Eltern müssen lernen, nicht gegen ihr Kind zu kämpfen, sondern für die Beziehung. Zuhören, ohne direkt zu bewerten. Eigene Gefühle benennen, ohne Vorwürfe. Und: sich selbst Hilfe holen, um nicht aus eigener Verzweiflung heraus zu agieren.

Wie gestaltest du generell den Kontakt zu den jungen Menschen, die du begleitest?

Simon: Mein Ansatz ist immer Beziehungsarbeit auf Augenhöhe. Ich arbeite authentisch, klar und konsequent – aber immer respektvoll. Ich biete Orientierung, Struktur und eine echte Verbindung. Ich glaube daran, dass Veränderung nur möglich ist, wenn der Jugendliche sich gesehen und angenommen fühlt. Gleichzeitig setze ich klare Grenzen und fordere Verantwortung ein.

Arbeitest du auch mit Jugendlichen, die von anderer Stelle geschickt werden und eigentlich noch nicht bereit sind für eine Veränderung?

Simon: Ja, und das ist oft eine große Herausforderung. Aber ich sehe es so: Auch wenn sie offiziell „müssen“, steckt in jedem ein Teil, der gehört werden will. Es geht darum, diesen Funken zu finden – manchmal dauert das, manchmal geht es schnell. Ich nehme jeden so an, wie er kommt. Ohne falsche Versprechen, aber mit echtem Interesse.

Wie bekommst du dabei „einen Fuß in die Tür“?

Simon: Indem ich echt bin. Jugendliche spüren sofort, ob jemand etwas „vorspielt“. Ich höre zu, ich urteile nicht, ich setze klare, faire Regeln und bleibe verlässlich. Vertrauen wächst nicht über Worte, sondern über konsequentes Handeln.

Das Jugendcoaching ist eine feste Säule im Verein und begleitet junge Menschen oft über Monate hinweg. Was ist dir dabei besonders wichtig?

Simon: In meinem Coaching biete ich einen klar strukturierten, ehrlichen Weg an, um Jugendlichen neue Perspektiven zu eröffnen. Ich arbeite individuell, praxisnah und mit einem tiefen Verständnis für die inneren Kämpfe, die junge Menschen führen. Dabei bin ich Wegbegleiter, Spiegel und Motivator – aber nie Retter. Veränderung entsteht aus eigener Kraft.

Bindest du die Eltern in die Arbeit mit den Jugendlichen mit ein? Wenn ja, wie?

Simon: Ja, wenn möglich und sinnvoll. Elternarbeit ist enorm wichtig. Ich biete Gespräche an, in denen wir gemeinsam Strategien entwickeln, wie sie ihr Kind unterstützen können, ohne sich selbst dabei zu verlieren. Ich helfe, Kommunikation neu zu lernen und alte Muster zu hinterfragen.

Welchen Tipp gibst du Eltern mit auf den Weg, um mit ihren Belastungen besser fertig zu werden?

Simon: Sucht ist eine Krankheit, keine Entscheidung gegen die Eltern. Schuldgefühle oder blinder Aktionismus helfen nicht. Mein wichtigster Tipp: Holt euch selbst Unterstützung. Achtet auf euch. Nur wer selbst stabil ist, kann auch Halt geben.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Simon: Ich möchte mein Konzept noch weiter ausbauen und verstärkt Räume schaffen, in denen Jugendliche und ihre Familien lernen können, einander neu zu begegnen. Langfristig träume ich davon, ein eigenes Zentrum aufzubauen, wo professionelle Hilfe und echte Selbsterfahrung Hand in Hand gehen.

Danke lieber Simon für das Gespräch, deine Offenheit und die wertvollen Einblicke.

Hier geht es zur Website Simon Batta Jugendcoaching e.V.