Es dauert eine Weile bis wir verstanden haben, dass der Drogenkonsum unserer Kinder ganz viel mit Emotionsregulation zu tun hat: Es geht um die Jagd nach dem nächsten Glücksrausch und das Verdrängen von unerwünschten Gefühlen. Die Drogen haben eine doppelte Funktion für unsere Kinder und einen großen Nutzen. Und das macht es so schwer, sich wieder aus der Sucht zu befreien. Eine Erkenntnis, die sich uns Eltern erst langsam erschließt.
Ich habe viele Fragen an meine Tochter:
- Kannst du mir erklären, was los ist?
- Warum sind Drogen so wichtig für dich?
- Warum begibst du dich immer wieder in Gefahr?
- Was erwartest du vom Leben?
- Wie stellst du dir deine Zukunft vor?
Manche Antworten finde ich, wenn ich ihre Aussagen aus den letzten Jahren einfach noch einmal Revue passieren lasse: „Ich brauche Adrenalin“ waren genau ihre Worte, bevor sie anfing zu konsumieren. Eine Radikalisierung mit Ansage.
Hauptsache Schluss mit der besorgten Behütung und raus aus der familiären Umklammerung: eine 180 Grad Kehrtwende. Von einem Extrem, wie beispielsweise Bungee Jumping ins nächste… unerfüllbare Shopping-Wünsche etc. auf der Jagd nach dem nächsten Glücksrausch. Alles geschah in dem Wunsch, einem bestimmten Image zu entsprechen. Andere hatten es offenbar längst, zumindest in ihren Augen. Im Alter von 16 Jahren ist sie dann über die letzten roten Linien eines gerade noch kontrollierbaren Konsums gegangen, an Silvester.
Ihre ausgesprochen stark empfundenen ungewollten Gefühle wurden so einfach betäubt: raus aus dem gehassten Gefühl, rein in den Kontrollverlust, aber mit Ansage. Hauptsache nichts mehr spüren müssen. Es ist erstaunlich, was wir als Eltern lange nicht wahrnehmen und was sich im Inneren unserer Kinder abspielt. Wir Eltern zerren unsere Kinder jedoch häufig aus ihren Schneckenhäusern heraus, manchmal ungewollt grob, laut, immer ungeschickt, weil wir weder ihre Gefühle noch ihre Not sehen können, denn wir haben unser Leben noch unter Kontrolle.
Der Weg ist mühsam und lang. Bleibt hoffnungsvoll!