„Wie können wir Lösungen anbieten, wenn wir die Frage nicht kennen?“ Wir Eltern wollen helfen, Lösungen finden, Antworten geben. Doch die Welt unserer Kinder ist nicht unsere. Um wirklich zu verstehen, wo sie stehen, braucht es mehr als Zeit und Geduld. Es braucht Nachfragen, echtes Zuhören, und ehrliches Interesse. Nicht unsere Perspektive zählt, sondern ihre. Genau dort können wir sie begleiten- wenn wir bereit sind, hinzuhören und uns einzulassen.
Dazu möchte ich gerne eine kurze Geschichte erzählen:
Vor einiger Zeit hatte ich eine tiefgreifende Unterhaltung mit meinem Sohn. Wir sprachen darüber, wie schwer es ist, im “normalen” Leben Fuß zu fassen, diesen Rhythmus mitzugehen, den die Gesellschaft vorgibt, klarzukommen mit dem Erwartungsdruck an sich selbst, aber auch mit dem Druck durch das Umfeld, seinen eigenen Wert anzuerkennen, klarzukommen damit, dass man funktionieren muss, um gut zurechtzukommen…. Ich wollte ihm Mut machen und sagte: “Sei nicht so streng mit dir, denn du hast einen schweren Rucksack, den du schon eine Weile, mit dir herumschleppst. Vergleiche dich nicht mit anderen, die leichteres Gepäck dabei haben. Vielleicht schaffst du es ja, etwas aus dem Rucksack herauszunehmen, damit er leichter wird.” Und er antwortete mir: “Ja, aber zuerst einmal muss ich schauen, was überhaupt im Rucksack drin ist.”
Diese Antwort hat mich umgehauen. Seine Worte zeigten mir, dass er noch vor dem ersten Schritt zurückschreckte: der Bestandsaufnahme. Und das ist wohl der schwerste Schritt – sich ehrlich mit sich selbst auseinanderzusetzen und den Mut zu haben, genauer hinzusehen.
Mir wurde klar, dass ich schon auf der Suche nach Lösungen war, während er noch vor seinen eigentlichen Problemen flüchtete und diese nicht einmal in Worte fassen konnte. Als Eltern denken wir oft, wir wüssten, was unser Kind belastet. Dabei ist unsere Erlebenswelt Meilen entfernt von der unserer Kinder. Wir können nur wirksam unterstützen, wenn wir erkennen, wo unsere Kinder gerade stehen und darauf eingehen – ohne zu drängen, ohne ihnen zu viel vorzugeben. Es braucht Geduld und Vertrauen, aber es lohnt sich: Jeder ehrliche Austausch unterstützt unsere Kinder auf ihrem eigenen Weg.