Wo Eltern die größten Defizite in der Suchthilfe erleben
Wo liegen aus Elternsicht die Defizite in der Suchthilfe? Und in welchen Bereichen müssen dringend notwendige Veränderungen angestoßen werden?
Als Eltern suchtbetroffener Kinder sind wir nicht nur Begleiter und Beobachter. Vielmehr übernehmen wir oft die Rolle von Vermittlern, Notfallhelfern und nicht selten sind wir auch der letzte Rettungsanker für unsere Kinder. Daher sehen wir hautnah, wo das Suchthilfesystem nicht greift und unsere jugendlichen oder erwachsenen Kinder nicht weiterkommen.
Viele Eltern fühlen sich alleingelassen, weil es an Anlaufstellen fehlt, die Wartezeiten zu lang sind oder unklare Zuständigkeiten den Zugang zur Hilfe erschweren. In der Folge scheitern sie oft an bürokratischen Hürden oder finden keine passenden Angebote. Trotz aller Bemühungen bleibt die dringend benötigte Unterstützung für viele unerreichbar. Diese Defizite in der Suchthilfe haben direkte Folgen – sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Familien. Deshalb braucht es dringend Veränderungen, damit das Suchthilfesystem wirklich greift.
Defizite in der Suchthilfe: Wo muss sich etwas ändern?
Um diese Missstände sichtbar zu machen, haben wir in einem Online-Meeting zentrale Forderungen und Veränderungswünsche erarbeitet. Dabei wurden verschiedene Bereiche betrachtet, denn die Probleme ziehen sich durch unterschiedliche Ebenen. Die Ergebnisse sind gegliedert, damit klar erkennbar wird, wo besonders dringender Handlungsbedarf besteht.
Hier sind die wichtigsten Punkte, die aus den Erfahrungen der Eltern entstanden sind:
Kinder- und Jugendschutz
🔹 Bessere Vernetzung der verschiedenen Institutionen (Schulen, Jugendhilfe, Kliniken, Politik …)
🔹 Bessere Unterstützung unserer Kinder in akuten Gefährdungslagen, besonders wenn Einsichtsfähigkeit fehlt – und gleichzeitig bessere Einbindung der Eltern.
🔹 Mehr Fachpersonal für Kinder und Jugendliche in der Suchthilfe
🔹 Es darf nicht sein, dass Eltern Hilfe für ihre Kinder durch Nachdruck und Beharrlichkeit einfordern müssen.
Infrastruktur, Vernetzung und Ressourcen
🔹 Bessere Vernetzung aller Akteure im Suchthilfesystem – von Beratung und Therapie bis Jobcenter, Polizei, Justiz und Betreuungsstellen.
🔹 Mehr Klinikplätze für Entzug und Therapie bei Jugendlichen und Erwachsenen – mit spezialisierten Angeboten für Doppeldiagnosen, Traumafolgestörungen und weitere individuelle Bedarfe.
🔹 Altersgerechte Aufteilung von Therapiegruppen, um eine gezielte und bedarfsgerechte Unterstützung zu gewährleisten.
🔹 Mehr Substitutionsärzte und Praxen
Systemische Versorgung und Orientierung
🔹 Dringende Bedarfsermittlung für Suchtbehandlungsplätze, da es keine verlässliche Analyse gibt
🔹 Ein klarer Versorgungsauftrag für Suchterkrankungen, der aktuell fehlt
🔹 Keine Klinikentlassung ohne gesicherte Weiterbehandlung oder Alternativen
🔹Suchtmedizin als fester Bestandteil der Arztausbildung – Viele Ärzte und Ärztinnen, insbesondere in der Primärversorgung, sind auf den Umgang mit Suchterkrankungen unzureichend vorbereitet. Eine bessere Integration ins Medizinstudium und in die Weiterbildung ist dringend nötig.
🔹 Das Hilfesystem darf kein Irrgarten sein – wir brauchen bessere Orientierung und Weitervermittlung
Niedrigschwellige Angebote und Prävention
🔹 Mehr niedrigschwellige und individuelle Hilfsangebote für abhängige Menschen
🔹 Mehr Motivationsarbeit – ohne Abstinenzvoraussetzung – zur Unterstützung abhängiger Menschen bei der Entwicklung eines Veränderungswillens
🔹 Mehr Forschung und finanzielle Mittel für effektive Präventionsarbeit
Stigmatisierung abbauen und Beteiligung Betroffener stärken
🔹 Ein modernes, offeneres Verständnis für Sucht, das über Abstinenz hinausgeht
🔹 Mehr Beteiligung und Mitgestaltung in der Suchthilfe – sowohl durch ehemals Betroffene, die wertvolle Erfahrungen einbringen, als auch durch das Umfeld Suchtbetroffener, das mit wichtigen Perspektiven zur Verbesserung der Suchthilfe beitragen kann
🔹 Stärkere Einbindung der Eltern – sowohl in Beratung und Therapieprozesse als auch in Präventions- und Hilfsangebote, da sie eine zentrale Rolle im Unterstützungs- und Genesungsprozess spielen
🔹Mehr Empathie und Augenhöhe von Ärzten, Kliniken und anderen offiziellen Stellen – Stigmatisierung von Suchterkrankten und deren Angehörigen erkennen und abbauen
Wir danken allen, die an diesem Austausch teilgenommen haben und sich diesem Thema geöffnet haben. Ein besonderer Dank geht an Mandy Jörgensen, weil Mandy mit ihrer Petition einen Anstoß zu dieser wichtigen Diskussion gegeben hat.
📣 Wenn du dich als für Verbesserungen im Suchthilfesystem einsetzen möchtest, dann kann die Initiative „frag Eltern“ eine Anlaufstelle für dein Engagement sein. Dort findest du Menschen mit ähnlichem Erfahrungshintergrund und Möglichkeiten, auch politisch aktiv zu werden. Mehr Infos findest du über die Website frageltern.de.
📌 Mehr Informationen zum Thema Defizite in der Suchthilfe findest du auch auf unserer Website – hier.