Autonomie

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Wir Eltern tun uns sehr schwer mit der Vorstellung des Loslassens:

Loslassen klingt ein bisschen wie aufgeben,
die Verbindung verlieren,
einen Verlust erleiden
und Kontrolle abgeben.
Manche verbinden es mit einem schwierigen, schmerzhaften,
ungewollten Prozess.
Oft fällt es uns schwer,
das Wort Loslassen mit
etwas Positivem zu verbinden.

Wenn es dir gerade auch so geht,
versuche mal einen anderen Ansatz,
um etwas Abstand zu bekommen.

Gib deinem Kind Autonomie:
das Recht auf eigene Fehler, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung,
eigene Erfahrungen, eigene Entscheidungen,
und eigene Lösungen.

„Was du mir sagst, das vergesse ich.
Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt, das verstehe ich.“

Konfuzius


„It’s a long way …“

Als sich mein Sohn nach seinem 5jährigen Drogenkonsum und nach 5 Jahren tiefsten Tiefen im emotionalen Familienverband zu einem Entzug und zu einer Langzeittherapie entschieden hatte, lagen wir uns alle weinend in den Armen.

Der erste Schritt war getan und wir dachten, ab jetzt geht es nur noch geradeaus. Schritt für Schritt zurück ins “normale” Leben. Das “normale” Leben fühlt sich so einfach an – für mich. Leicht, unbeschwert, gesund, selbstständig, selbstbewusst, unabhängig, mit vielen Freundinnen und Freunden. Für meinen Sohn ist es das nicht.

Das “normale” Leben ist schwer für meinen Sohn. Es war schwer, all seine Kontakte zu löschen. Es war und ist schwer, neue Freundinnen und Freunde zu finden. Es ist schwer, abstinent zu bleiben. Es ist schwer, einen Job zu finden und ihn zu behalten. Es ist schwer, Probleme alleine zu lösen. Es ist schwer, wenig Geld zu haben und sich wenig leisten zu können. Es ist schwer, den Tag zu strukturieren, die Woche, das Jahr, sein Leben….

Es ist viel schwerer für ihn als für mich, Leichtigkeit und Freude im “normalen” Leben zu finden. Das normale Leben basiert auf Erfahrungen. Viele davon muss er noch machen, die ich schon längst (manche auch dreimal) hinter mir habe. Und immer hat er bei all seinen Schritten auch noch eine Kette am Bein.

It’s a long way … Wir alle mussten lernen, dass der Wunsch eines geraden Weges – Schritt für Schritt nach vorn- nicht der Wirklichkeit entspricht. Es geht vor und zurück. Rückschritte gehören leider zum Leben.

Und immer sind wir da, versuchen meinem Sohn beim Aufstehen zu helfen, aber nicht das Hinfallen zu verhindern. Das haben wir auf unserem gemeinsamen Weg auch gelernt: es geht nicht darum, Rückschritte zu vermeiden, sondern beim Straucheln den Rückenschubser zum Vorwärtsgehen zu setzen. (Der kann auch mal kräftig und nicht gerade liebevoll ausfallen….das Familiennetz ist nur endlich belastbar.)

Die Erkenntnis unserer Geschichte? Wir sind auf dem Weg des Lebens. Unser “normales” Leben, mit Aufs und Abs. Es kommt -wie immer- auf die Perspektive an. Und ein Rat an uns alle? Unterschätze nie einen Menschen, der einen Schritt zurück macht. Er könnte Anlauf nehmen! Silke


Mein AHA-Erlebnis:

Wir hatten unseren Sohn durch sanften Druck dazu gebracht, einen Termin in der Drogenberatung wahrzunehmen. Ich war ganz sicher, dass der erfahrene Berater es schaffen würde, meinem Sohn den richtigen Weg aufzuzeigen.

Wir hatten unseren Sohn zum Termin gefahren und warteten dann gespannt und ungeduldig draußen auf das Ergebnis des Gespräches. Aber eigentlich wusste ich ja, was jetzt kommen musste: Mein Sohn hatte sicher weiterführende Informationen für die Einleitung einer stationäre Therapie erhalten…

Dann kam er aus der Beratungsstelle und berichtete, dass er demnächst mit einem ambulant betreuten Wohnen starten würde. Ich traute meinen Ohren nicht – das konnte doch wohl nicht wahr sein. Was soll das denn bitte bringen? Es war doch ganz klar, was mein Sohn jetzt benötigte!!!

Ich war total geschockt! Das war nicht der Plan — bis ich dann nach einer Weile realisierte, dass es eben mein Plan war und nicht das, was mein Sohn momentan wollte und konnte. Ich erinnerte mich dann auch daran, was ich eigentlich schon vor einiger Zeit im Elterntraining (in Anlehnung an MOVE) gelernt hatte…

Respektiert die Autonomie eurer Kinder!

Kommuniziert mit ihnen auf Augenhöhe, das ist viel zielführender, als wenn ihr versucht, ihnen eure Meinung überzustülpen.

„Menschen lassen sich in der Regel besser von jeden Gründen überzeugen, die sie selbst entdeckt haben, als von solchen, die anderen in den Sinn gekommen sind.“

Zitat Blaise Pascal

Im Nachhinein gesehen, hat genau diese Intervention meinem Sohn damals ganz wunderbar weitergeholfen –

viele kleine weitere Schritte zu gehen in seinem eigenen Tempo.