Unsere Gedanken zum Thema Vertrauen – aus Sicht von Kinder-Suchtkranker-Eltern (Benjamin) und Eltern-Suchtkranker-Kinder (Barbara).
Vertrauen ist der Inbegriff unseres Daseins und überlebenswichtig, um den Alltag meistern zu können.
Wenn wir als Kind auf die Welt kommen, sind wir darauf angewiesen, unser naturelles Urvertrauen durch unsere Eltern bestätigt zu bekommen. Passiert dies nicht, kann dies Folgen haben, die bis ins Erwachsenenalter anhalten.
Ebenso muss umgekehrt eine gesunde Basis vorhanden sein, dass Kinder ehrlich ihren Eltern gegenüber sind und Probleme ansprechen.
Sucht ist für beide Seiten ein großer Vertrauenskiller.
Als Kind agieren deine Eltern als Vorbilder. Du übernimmst ihr Handeln, in dem Glauben, dass sie dir zeigen, was richtig ist. Süchtige allerdings konzentrieren sich ausschließlich auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse, die meist auf toxischen Wegen ruhig gestellt werden. Lügen und Distanz gehören zum kindlichen Alltag. Eigentlich benötigst du einen Menschen, dem du blind darin vertrauen kannst, dass er dir den Weg weist, stattdessen findest du dich eines Tages in einer Einbahnstraße wieder. Ob du möchtest, oder nicht, deine Muster sind anerzogen und wenn du reflektiert genug bist, um zu erkennen, dass diese falsch sind, wird es quasi zur Lebensaufgabe, gegen diese anzukämpfen, um nicht genau so zu werden, wie der/ die Süchtige. Benjamin / @liebefuerworte
Vertrauen ist die Grundlage für eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung. Unsere Kinder vertrauen auf uns, dass wir immer gut für sie sorgen, verlässlich sind, ihre Bedürfnisse erkennen und erst nehmen, uns Zeit für sie nehmen und sie offen mit uns sprechen können. Wenn wir unseren Kindern vertrauen, geben wir ihnen automatisch Freiräume für ein selbstverantwortliches Handeln und eigene Entscheidungen. Das stärkt sowohl das Selbstwertgefühl als auch das Selbstbewusstsein unserer Kinder. Ohne Vertrauen ist keine offene und ehrliche Kommunikation möglich und wir können uns auf der emotionalen Ebene nicht wirklich begegnen. Vertrauen schafft Nähe und Verbindung. Barbara / @elternsuchtkrankerkinder
Wenn du beispielsweise um gemeinsame Zeit bittest, wirst du regelmäßig mit Ausreden und Lügen konfrontiert, die du als Kleinkind als solche aber noch nicht wahrnehmen kannst. Was nicht bedeutet, dass sie dich nicht trotzdem negativ prägen. Suchtbefriedigung steht jederzeit an erster Stelle und so werden Verabredungen, oder Termine erfunden, mit denen dir gemeinsame Eltern/Kind Unternehmungen abgesagt werden. In Wahrheit jedoch nutzt der/die Betroffene diese Zeit, um der Sucht nachzugehen. Je älter du wirst, desto bewusster wird es dir und zwangsläufig kommt irgendwann der Tag, an dem du die Lüge enttarnst und das Kartenhaus zusammenbricht. Benjamin / @liebefuerworte
Wenn unsere Kinder in eine Abhängigkeit geraten, spielt das Konsummittel irgendwann die Hauptrolle in ihrem Leben. Alles wird dem Konsum untergeordnet. Unsere Kinder begeben sich mehr und mehr in eine Welt, die sie vor uns geheim halten oder gegen uns verteidigen. Zudem geraten sie immer mehr unter Druck, um die Sucht zu finanzieren und das Suchtmittel zu beschaffen. Und das führt in den meisten Fällen zu Wortbruch, Lügen, Unzuverlässigkeit und/oder Respektlosigkeit gegenüber uns als Person und auch gegenüber unserem Eigentum.
Das Vertrauen ist zerstört. Die Kommunikation ist vergiftet. Was uns Eltern zunächst nicht bewusst ist, dass oftmals auch das Vertrauen unserer Kinder zu uns schon vor dem Konsum gestört war. Barbara / @elternsuchtkrankerkinder
Die Möglichkeit, das Vertrauen neu aufzubauen, ist vorhanden, aber die Chance sehr gering. Der/die Betroffene braucht eine gehörige Portion Selbstreflexion und Mut, um sich seine Fehler einzugestehen und gleichzeitig erkennen zu können, was das alles mit dem Kind gemacht hat. Es bedarf einem gemeinsamen Weg, auf dem sich zeigt, ob langfristige Veränderungen umgesetzt werden und ein Schuldbewusstsein vorhanden ist. Es liegt jederzeit in der Hand des Kindes, zu verzeihen und nicht umgekehrt. Denn das Kind ist das Opfer und hat auf dieser Ebene niemals etwas falsch gemacht. Benjamin / @liebefuerworte
Das Vertrauen lässt sich möglicherweise irgendwann langsam wieder aufbauen, wenn sowohl Eltern als auch Kinder dazu bereit sind. Oft ist dazu aber erstmal ein gewisser Abstand und Reflexion notwendig, um sich dann wieder neu annähern zu können. Es braucht eine Kommunikation auf Augenhöhe, Empathie und unsere Akzeptanz, dass unsere Kinder nicht den Weg gehen, den wir uns für sie ausgedacht haben. Und irgendwann können wir uns dann vielleicht auch gegenseitig verzeihen für die Fehler, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. Barbara / @elternsuchtkrankerkinder