Unsere Learnings

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”Die Sucht meines Sohnes half mir, mich zu erkennen und an mir zu arbeiten.”

Wenn man mich fragt, was ich in den letzten 3 Jahren in der intensiven Begleitung der Sucht meines Sohnes (22) gelernt habe, dann zum einen, dass ich einen noch so großen Aktionismus an den Tag legen kann, wie ich will, solange der Süchtige nicht selbst den Wunsch hat da rauszukommen, kann ICH nichts daran ändern. Was ich aber gelernt habe ist, ihm die Verantwortung für sich selbst abzugeben und mich um mich zu kümmern.

Dadurch, dass ich mich so lange sehr intensiv um das Verstehen von Sucht gekümmert habe, habe ich begriffen, dass meine jahrzehntelange Essstörung ebenfalls ein Suchtverhalten ist und ich habe jetzt sehr intensiv angefangen, mich um mich, mein Leben, meine Gesundheit, mein Wohlbefinden zu kümmern. So intensiv wie noch nie zuvor.

Dafür sollte ich der Sucht meines Sohnes dankbar sein (was ich natürlich nicht kann, da ich sie nach wie vor schlimm finde). Aber es ist SEIN Leben, SEINE Entscheidungen, so wie ich jetzt wieder gute Entscheidungen für mich treffen will. Melanie

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“Ich akzeptiere, was ich nicht ändern kann – das hat unser Miteinander gestärkt.”

Die Sucht meines Sohnes hat mir gezeigt wie stark ich sein kann. Es gab einen Punkt an dem ich die Sucht meines Sohnes als eine tickende Bombe wahrgenommen habe, die ich nicht kontrollieren kann. Sie ist immer da. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwei Möglichkeiten. Meinen Sohn aufgeben, da ich ihm nicht helfen kann, wenn er es nicht möchte. Oder aber diese tickende Bombe zu akzeptieren.

Die Sucht meines Sohnes hat mir gezeigt wie stark ich sein kann. Es gab einen Punkt an dem ich die Sucht meines Sohnes als eine tickende Bombe wahrgenommen habe, die ich nicht kontrollieren kann. Sie ist immer da. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwei Möglichkeiten. Meinen Sohn aufgeben, da ich ihm nicht helfen kann, wenn er es nicht möchte. Oder aber diese tickende Bombe zu akzeptieren. Mara

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“Auf Veränderung zu hoffen ohne selbst etwas zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten !!”

Zu Beginn der Erkrankung meines Sohnes vor knapp 5 Jahren, war alles so verdammt schwer zu verstehen. Ich kann mich noch erinnern, als ich dachte, ich bin im falschen Film und morgen wache ich auf und alles ist ok, doch dem war nicht so! Dann dachte ich mir ok, dann nehme ich das in meine Hand und dann schaffen wir das, doch dem war auch nicht so! So wie ich wollte, so funktionierte es nicht, da machte mir mein Kind und vor allem seine Sucht einen gewaltigen Strich durch meinen Plan.

Von da an musste ich echt vieles lernen: lernen, das nicht alles nach meinem Kopf geht, lernen, damit aufzuhören ihm Ratschläge zu geben, lernen, aufzuhören ihm Vorwürfe zu machen, und vor allem musste ich lernen, ihm zu zuhören. Ebenso musste ich lernen, nicht aus meinen Emotionen heraus Gespräche führen zu wollen, denn das führte oft nur zu richtigen Explosionen. Ich lernte, dass ich auf die Frage, „Warum“ keine Antwort bekommen würde.

Ich musste lernen, dass meine Schuldzuweisung an mich selbst, mir nichts brachte, und mir nur meine Kräfte raubte und mich nicht weiter brachte. Irgendwann gab es kaum noch Gespräche, und somit fing ich an, ihm Briefe zu schreiben, denn meine Worte erreichten ihn oft nicht mehr, geschweige denn, dass er mir zuhörte. Also fing ich an ihm zu schreiben, und er las meine Briefe und ich bekam manchmal sogar eine Antwort. Zu schreiben war für ihn leichter, er konnte sich ausdrücken.

In seinen Briefen war die Verzweiflung, die Wut, die Hilflosigkeit, und die Traurigkeit zu spüren, und es tat so verdammt weh, dies zu lesen. Doch ich war dankbar, denn so ließ er mich dennoch teilhaben an seinem Leben und an seinen Gedanken und ich konnte spüren, dass wir ihm nicht egal sind. Auch war es oft besser, über WhatsApp zu kommunizieren. Mir war es von Beginn an immer wichtig, egal wie gemein er oft zu mir war, egal ob es Streit gab, egal wie wir auseinander sind, ihn wissen zu lassen, dass ich ihn liebe und dass ich da bin für ihn und mit ihm kämpfe. Die letzten 5 Jahre waren ich glaub bis jetzt die schwersten Jahre, doch auch die lehrreichsten Jahre. Und das Lernen geht weiter, jetzt muss ich lernen, mein Kind loszulassen, ihm zu vertrauen, dass er seinen neuen Weg, den er seit nun fast 10 Monaten geht, meistern wird, lernen meine Angst um ihn, und die Angst vor einem Rückfall nicht überhand nehmen zu lassen.

Ich muss lernen, mein Kind sein eigenes Leben leben zu lassen, und ich darf euch sagen, er macht es verdammt gut. Habt Mut zur Veränderung, und hört euren Kindern zu! Kathrin

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“Wie ich es geschafft habe, eine neue Bindung zu meinem Sohn aufzubauen, statt die Beziehung aufzugeben…”

Für mich war ein Kontaktabbruch für einige Zeit wichtig, um mir selbst klar zu werden, was die Sucht meines Sohnes mit mir macht, wie ich damit klar komme… Ein wirklicher AHA-Moment war dann das Gespräch mit einem EX-Cannabis Konsumenten… Er erzählte mir, was IHM wirklich rausgeholfen hat aus der Sucht und aus seiner Perspektive schien er meinen Sohn sehr gut zu verstehen. Ich habe durch ihn eine neue Sichtweise, völlig authentisch, zu der Sucht, zu dem Warum, bekommen…

Meine Grenzen waren mir schon vorher klar, aber dadurch wurde mir auch die unendliche Einsamkeit meines Sohnes, seine Ohnmacht, sein verzweifeltes „ganz leises Schreien“ nach Halt so klar vor Augen geführt… Als ich angefangen habe, keine Vorwürfe mehr zu machen und ihm zu sagen, das ich auch nachvollziehen kann, warum er in die Sucht geraten ist, wurden unsere Gespräche immer intensiver, viel leichter als zuvor. Ich MÖCHTE NICHT, das er konsumiert, aber ich verstehe, warum er das tut.

Dadurch, dass ich ihn nicht mehr bewerte oder verurteile, haben wir wieder eine sehr gute Beziehung zueinander, Bindungsaufbau, der geklappt hat. Ich glaube, dass auch ihm dies so gut getan hat, dass er neue Wege beschritten hat. Er geht zur Suchtberatung, nimmt Antidepressiva, hat eine Ausbildung begonnen und wir telefonieren jede Woche miteinander. Ich höre an seiner Stimme, dass es ihm gut geht und spüre jedes Mal, wie gut es ihm tut, wieder in Bindung zu sein.

Das stärkt ihn, wieder in Außenkontakte zu gehen, sich etwas zu trauen, dies gibt ihm auch die Stärke, nicht mehr regelmäßig zu konsumieren, weil seine Tage wieder erfüllter sind. Wir dürfen unsere Kinder nicht aufgeben, wir müssen sie nur loslassen. Niemals fallenlassen, und das müssen sie spüren. Britta

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“Ich habe mir dieses Tattoo damals stechen lassen als Symbol meiner tiefen Verbundenheit und um zu zeigen, dass ich meinen Sohn auch in den schwierigsten Zeiten nicht fallen lasse.”

Grundsätzlich kann ich sagen, dass je ätzender und unerträglicher mein Sohn mir gegenüber war, umso schlechter ging es ihm. Anfangs habe ich mit noch strengeren Regeln und Ansagen reagiert, weil ich ihn einfach nur noch unverschämt und abstoßend fand. Bis ich ihn dann später mal gefragt habe, ob es ihm in diesen Situationen denn sehr schlecht ging (physisch und psychisch). Er hat das bejaht und mir wurde klar, dass er in dem Moment, wo er am abstoßendsten war, am meisten Liebe und Verständnis gebraucht hat.

Auch wenn unsere Kinder in solchen Situationen unausstehlich sind und es einem sehr schwer fallt, sie zu lieben, habe ich begonnen ihm zuzuhören und Liebe und Verständnis entgegenzubringen. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und er weiß, dass er immer zu mir kommen kann. Und eines muss ich auch sagen, die Ratschläge von Polizei und Fachleuten, von wegen “ich soll ihn fallen lassen und rauswerfen…” Ich habe es 1x gemacht und würde es nie wieder machen, man kann einen Minderjährigen nicht fallen lassen.

Das richtet zu viel Schaden an, sowohl beim Kind als auch bei der Mutter/den Eltern, davon bin ich inzwischen überzeugt. Viola