Ein Wollknäuel mit sichtbarem Anfang und Ende – dazwischen ein verknäulter Abschnitt. Symbolbild für den GefühlsKompass: Gefühle als Faden, der mal geordnet, mal verheddert verläuft

Gefühlskompass

Wenn Emotionen uns überrollen oder wir nur schwer greifen können, was gerade in uns vorgeht, lohnt sich der Blick auf unseren inneren Gefühlskompass. Der Begriff beschreibt eine innere Orientierungshilfe und geht auf das Emotionsmodell des US-amerikanischen Psychologen Robert Plutchik zurück. Plutchik beschreibt acht grundlegende Gefühle, die sich zu vier Gegensatzpaaren anordnen lassen

  • Angst ↔ Wut
  • Traurigkeit ↔ Freude
  • Abwehr (Ekel) ↔ Vertrauen
  • Überraschung ↔ Erwartung

Diese Paare stehen sich nicht zufällig gegenüber. Man kann sie sich wie Pole auf einer Linie vorstellen zwischen denen wir uns innerlich hin und her bewegen, mal auf der einen Seite, mal irgendwo dazwischen.

Was fehlt mir gerade? – Ein Blick auf das gegenüberliegende Gefühl

👉 Manchmal hilft der Blick auf das gegenüberliegende Gefühl, um zu erkennen, was uns gerade fehlt oder uns wieder ins Gleichgewicht bringen kann.

Angst ↔ Wut

Das sind zwei Gefühle, die wir als Eltern suchterkrankter Kinder gut kennen. Wir haben Angst um unser Kind. Angst hat eine Schutzfunktion. Das Bedürfnis dahinter ist Sicherheit und Verlässlichkeit.

Der andere Pol ist die Wut. Wut zeigt uns, hier wurde eine Grenze überschritten – sie bringt Energie.

👉 Wut kann uns Kraft und Klarheit geben, wenn wir uns ohnmächtig fühlen. Es geht nicht darum, wütend zu werden – sondern darum, sich etwas von ihrer Entschlossenheit innerlich mitzunehmen.

👉 Vielleicht steckt hinter der Wut aber auch eine Angst oder eine Verletzung, die ich genauer anschauen darf.

Traurigkeit ↔ Freude

Wir sind oft traurig, weil wir uns für unser Kind etwas anderes gewünscht haben – oder weil uns die Situation überfordert. Traurigkeit zeigt, dass etwas fehlt. Sie lässt uns innehalten und hilft, Vergangenes zu verarbeiten, loszulassen und neue Wege zu suchen.

Der gegenüberliegende Pol ist die Freude.

👉 Freude stärkt – sie erinnert uns daran, dass es auch schöne Momente gibt.

👉 Auch Traurigkeit hat eine Funktion: Sie hilft uns, zu reflektieren und die Situation anzunehmen, wie sie gerade ist.

Abwehr (Ekel) ↔ Vertrauen

Oft können wir das Verhalten unseres Kindes nicht verstehen – wir erleben Kränkungen oder Vorwürfe. Es entsteht eine Abwehrhaltung. Wir brauchen Distanz und müssen uns selbst schützen.

Der Gegenpol dazu ist Vertrauen.

👉 Vertrauen öffnet uns – es schafft Verbindung. Und es hilft, wieder mehr Nähe zuzulassen.

👉 Wenn ich Abwehr spüre, muss ich nicht sofort dagegen ankämpfen. Ich kann mich fragen: Was wird da gerade berührt? Was ist mir zu viel? Und welches Gefühl steckt dahinter? Abwehr kann ein erster Schritt zur Orientierung sein.

Überraschung ↔ Erwartung

Als Eltern suchtkranker Kinder werden wir immer wieder mit unerwarteten – und oft auch beängstigenden – Entwicklungen konfrontiert. Dinge verlaufen anders, als wir es uns erhofft haben.

Der Gegenpol dazu ist die Erwartung.

👉 Erwartung gibt inneren Halt und Orientierung – kann aber auch einengen und zu immer wiederkehrenden Enttäuschungen führen.

👉 Manchmal braucht es mehr „Überraschung“ – mehr Offenheit für das, was kommt. Und für das, was unsere Kinder selbst in Bewegung bringen.

Kleine Anleitung zum Nachspüren:

🔸 Was fühle ich gerade?

🔸 Wofür steht dieses Gefühl? Welche Funktion hat es?

🔸 Welches Bedürfnis steckt dahinter?

🔸 Was zeigt mir der Gegenpol – was fehlt mir vielleicht gerade?

Diese Fragen können helfen, dass Bewegung entsteht:

vom Aushalten zum Verstehen, vom Reagieren zum Spüren, vom Feststecken zum Weitergehen.

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