Hallo, ich bin Susanne, 54 Jahre alt und habe über 30 Jahre Erfahrung mit Heroin, Kokain und Cannabis. Heute möchte ich die Dinge aufzählen die mir geholfen haben, diese Jahre zu erleben.
Beim (Über) Leben geholfen hat mir persönlich:
- Gesundheitliche Aufklärung, die Verfügbarkeit von sauberen, kostenfreien/günstigen Konsumutensilien (eine etwas andere „Gnade der späten Geburt“)
- Situationskenntnis und Krankheitseinsicht/-akzeptanz
- Der Schwarzmarkt mit Substituten. Zum Glück hatte ich immer wieder Kollegen oder Bekannte die ein bisschen ihres Substituts abgegeben haben. Das hat es mir erlaubt immer mal wieder Auszeiten zu nehmen bzw. einigermaßen verlässlich zu sein.
- Aktiv sein in einer akzeptierenden Selbsthilfegruppe.
- Externe Hilfe in Form von ambulant betreutem Wohnen, freiwillige gerichtliche Betreuung.
- Spass am Leben (guten Gerüchen, lecker Essen, der Natur, Tieren, bunten Farben)
- Kontakt zu meinen Eltern, das Wissen das ich immer zu Ihnen gehen kann und sie mir helfen, wenn sie können, hat mir extrem den Rücken gestärkt. Ich habe das nie ausgenutzt, aber einige Male in Anspruch genommen und dafür bin ich sehr dankbar.
- Die Erweiterungen der Medikamentenpalette in der Opiatsubstitution um retardiertes Morphin und Diamorphin.
- Die Diagnose und Behandlung meiner eigentlichen Grunderkrankung, die meinen problematischen Substanzkonsum das Fundament gelegt hat. (Das hat ca. 4 Jahre gedauert und wäre ohne verlässliche externe Hilfe kaum möglich gewesen)
- Sehr, SEHR viel Glück und 5 Schutzengel im Schichtdienst!
Hast du es jetzt geschafft, ein normales (abstinentes) Leben zu führen?
Ja, ich habe es geschafft trotz / wegen/ mit einer qualifizierten Substitution, mit dem richtigen Medikament und einer ADHS Medikation, ein stabiles Leben mit Glücksmomenten, Plänen und Hoffnung zu führen. Ich habe einen sinnstiftenden kleinen Job, den ich sehr liebe, gespartes Geld, eine eigene kleine Wohnung und engagiere mich politisch und in 2 Selbsthilfegruppen, Bewo und eine Putzfee durch die Pflegestufe 1.
Zuweilen konsumiere ich illegalisierte Substanzen in gesundheitlich, finanziell und sozial verträglichem Rahmen – ich fühle mich angekommen und kann jetzt so sehr netter zu mir selbst ein!
Danke der Nachfrage!
Susannes Mama:
Hallo, mein Name ist Margret Kottsieper, ich bin 79 Jahre alt und habe meine Tochter Susanne über Jahrzehnte ihrer Abhängigkeit begleitet. Heute möchte ich berichten was mir und meinem verstorbenen Gatten dabei geholfen hat:
- das Wissen über Abhängigkeit, Drogen, Wirkung, Symtome, Rückfälle usw welches wir während unserer Ausbildung (2ter Bildungsweg) als Krankenpflegerin in einer Psychiatrie bekomnen haben. Unsere berufliche Erfahrungen auf einer Station für Entgiftung nahmen uns viel Angst!
- Hilfe, Verständnis u Unterstützung durch andere. Sucht ebenfalls Betroffene, falls euer familiäres/soziales Umfeld da nichts zu bietet hat.
- unser Kontakt zu Susanne und unser Angebot ihr zu helfen wenn notwendig, so wussten wir meistens wie es ihr geht. Mein Mann und ich haben uns bemüht die Erkrankung nicht allzu vordergründig zu sehen. Wir haben immer wieder Angebote gemacht, gemeinsame, möglichst unbelastete Zeit, zusammen zu verbringen und wir haben uns bemüht das Thema Drogen ruhen zu lassen. Das hat nicht immer funktioniert, aber wir haben uns alle bemüht
am Ball zu bleiben. - Gute Selbstfürsorge ist wichtig, was haben wir zu geben wenn es uns selbst nicht gut geht? Die Berufstätigkeit hat uns sehr geholfen, denn eine sinnhafte Aufgabe zu haben, lenkt ab, stärkt den Selbstwert und erfreut.
- die Situation so anzunehmen wie sie ist und die eigene Macht zur Veränderung nicht zu hoch einzuschätzen. Man kann begleiten, helfen, unterstützen und vielleicht sieht das Ergebnis hinter her ganz anders aus als die Erwartung mit der man gestartet war, aber letztlich muss die Motivation zur Veränderung/Verbesserung muss vom Betroffenen selbst kommen.
- Seit Susanne das ambulant betreute Wohnen im Rahmen der Wiedereingliederungshilfe
bekommt, ist sie nicht mehr ausschließlich auf unsere Hilfe angewiesen und das tat meinem
Ehemann und mir, mit unseren altersbedingten Einschränkungen, sehr gut. Unsere Tochter
hat eine stabile Anbindung an eine akzeptierende Selbsthilfegruppe für die sie lange
ehrenamtlich im Vorstand tätig war und heute einen Minijob hat. - Unser Glaube, unsere Ehe und positives Denken hat uns auch geholfen diese langen
Jahrzehnte mit Krisen und Rückschlägen hinter und zu bringen.
Nachsatz von Susanne:
Meine Mutter und ich – ein echter Glücksfall für uns beide …
Ich freue mich, dass ich meiner Mutter nach der langen, schweren Zeit, etwas zurückgeben kann. Meine Eltern haben mir so lange die Stange gehalten und den Rücken gestärkt, und ich weiß, was es meine Eltern gekostet hat. Ich weiß, wie schwer es ist, dein geliebtes Kind so ganz andere Wege gehen zu sehen.
… weitere Erfahrungsberichte von Suse und Ihrer Mutter folgen demnächst.