Das Projekt „Walk & Talk – Netzwerkwanderungen“ wurde 2020 ins Leben gerufen, um bei unseren betroffenen Söhnen und Töchtern die Freude an einer konsumfreien Freizeitgestaltung zu stärken und Eltern die Möglichkeit eines anderen Austauschs in verändertem Rahmen mit neuen Gesprächspartnern zu bieten und die Natur zu genießen. Es ist eine Kooperation aus Ehemalige abstinent orientierten Menschen des Netzwerks Gesundheit-Sport-Erlebnis, Köln und Mitgliedern regionaler Elternkreise.
Wir haben mal etwas Feedback bei den Teilnehmern eingesammelt …
Ein Sohn:
Ich fand die Wanderung schön. Sie war nicht anspruchsvoll, aber nette Leute. Man hat sich direkt
willkommen gefühlt und konnte mit allen ins Gespräch kommen und Erfahrungen austauschen
bzw. auch Hilfe bei Suchtproblemen ansprechen, da einige ja evtl. weiter sind als man selbst. Sie
könnten anderen Betroffenen einen Weg aufzeigen, etwas zu ändern. Es ist etwas anderes, mit
Betroffenen zu reden als mit Ärzten und Sozialarbeitern.
Ich fand es gut, dass man anschließend noch die Zeit hatte, in Ruhe mit den anderen zu reden,
weil es für mich unterwegs in der Bewegung manchmal nicht so leicht ist, da ich mich darauf
konzentriere.
Es ist auch gut, um mit Leuten in Kontakt zu treten, mit denen man quasi schon eine Verbindung
hat, die aber nicht mehr in dem Milieu unterwegs sind, also cleane Leute.
Eine Mutter:
Wir hatten einen wunderschönen Wandertag mit dem Netzwerk „Gesundheit-Sport-Erlebnis“. Das
Wetter spielte mit und auch die vorgeschlagene Tour war gut zu bewältigen.
Bei Sonne und teilweise viel Matsch auf den Wegen, wurden sehr nette Gespräche geführt, auch
konnten beim anschließenden Essen – was bei einer Wanderung ja immer dazu gehört -nochmals
interessante und informative Erfahrungen mit den ehemals Betroffenen ausgetauscht werden.
Ich würde mir wünschen, dass sich noch mehr Eltern, mit oder ohne Kind, an diesen Aktivitäten beteiligen, um sich auch an die guten Eigenschaften des Sports zu erinnern, Kopf freimachen, auf andere Gedanken zu kommen und den Körper etwas zu fordern. Dies tut auch der oftmals geschundenen Seele gut.
Aus meiner Sicht war dieser Tag ein voller Erfolg war.
Einer Wiederholung steht nichts im Wege!
Eine Mutter:
Sonntags im Umkreis des Altenberger Doms wandern zu gehen, gehört zu den klassischen
Aktivitäten vieler Kölnerinnen und Kölner. Zumal bei strahlendem Sonnenschein. Unsere Gruppe
von Eltern des Elternkreises, Aktiven aus dem Netzwerk Gesundheit, Sport, Erlebnis und Menschen, denen es gelungen ist, unabhängig zu leben, brach gutgelaunt auf und vielleicht auch
erwartungsvoll, was dieses ‚Freizeit-Experiment‘ wohl bringen würde. Die Route war leicht zu
bewältigen und es bildeten sich schnell kleine Grüppchen, die sich in Gespräche vertieften oder
plaudernd die Strecke bewältigten.
Für mich persönlich war es ein bewegendes Erlebnis, da mir sofort klar war, dass ich – da in einer
Akutphase mit meinem Sohn – sehr schlecht in Smalltalk sein würde, sondern mich vor allen Dingen
die Erfahrungen und Lebenswege der Ehemaligen besonders interessierten. Und ich habe sehr
schnell sehr persönliche Einblicke in das Thema Sucht und den möglichen Weg daraus
bekommen, die mich einerseits zuversichtlich stimmten und mir andererseits verdeutlichten, wie
schwer der Weg in die Unabhängigkeit ist, wie individuell und wieviel Kraft, Willensstärke und
Ausdauer jede/r aufbringen muss.
Beim Kaffee danach diskutierten wir aber auch noch politische Fragen, wie z.B. die Legalisierung
von Cannabis und natürlich messe ich den Menschen, die selbst viele Erfahrungen gemacht
haben, mehr Urteilsvermögen zu, als ich es als Angehörige je haben kann. Die Meinungen waren
aber sehr unterschiedlich und spiegelten auch den Verlauf der gesellschaftlichen und politischen
Diskussion wider.
Ich habe eine große Dankbarkeit und tiefen Respekt für alle, die dieses Erlebnis möglich gemacht
haben und sich gegenseitig mit Offenheit und Wertschätzung begegneten.
Die Sonne schien immer noch und ich ging mit einem Päckchen mehr Nachdenklichkeit und
Anteilnahme nach Hause und auch mit Respekt vor dem zurückgelegten Weg der Einzelnen auf
ihrem Lebensweg und der Gruppe, die gemeinsam die Strecke rund um Altenberg zum Erlebnis
gemacht hat. Gerne bin ich bald wieder dabei.
Teilnehmer aus dem Netzwerk:
Auf der ersten gemeinsamen Wanderung von Elternkreis und Netzwerk hatte ich die Möglichkeit
mit einigen Eltern und auch einem Sohn ins Gespräch zu kommen.
Für mich war diese Konstellation spannend, weil ich in diesem Erfahrungsaustausch auch meine
eigenen familiären Beziehungen mal aus einer anderen Perspektive betrachten konnte. In den
verschiedenen Gesprächen konnte ich außerdem erleben, wie die eigene schwierige
Vergangenheit zu einer Erfahrung wird, die man für Andere nutzbar machen kann.
Teilnehmerin aus dem Netzwerk:
Es hat mich sehr gefreut, den Elternkreis kennen lernen zu dürfen. Ich sehe die Begegnung mit
dem Elternkreis als einmalige Chance, meine Sucht auch mal aus der umgekehrten Perspektive
zu erleben, aus der Sicht von besorgten Angehörigen und Eltern, die alles nur Erdenkliche tun,
um Ihre Kinder in die Abstinenz zu begleiten.
Eine gemeinsame Wanderung war unser erstes Zusammentreffen und die Chemie untereinander
war sofort gut. Sport und Bewegung ist der beste Ausgleich, den man sich wünschen kann.
Ich würde mich freuen, mehr „Kinder“ begeistern zu können und bereits Wanderbegeisterten
Wege aus der Sucht zu zeigen über gemeinsame Aktivitäten. Aus meiner persönlichen Erfahrung
kann ich sagen, dass körperliche Betätigung eine der wichtigsten Säulen ist, um abstinent zu
werden und bleiben. Es hat sich gelohnt, diesen Weg zu gehen.
Bis Anfang 2024 haben wir insgesamt 19 Wanderungen und einen gemeinsamen Besuch im Kletterpark absolviert mit bis zu 23 Teilnehmer an den einzelnen Terminen. Das Projekt hat sich mehr als bewährt und wir können solche Kooperation nur aus vollem Herzen empfehlen. Von einer anderen Selbsthilfegruppe haben wir von einem ähnlichen Projekt erfahren. Dort wird zusammen Kunst gemacht – auch dabei redet es sich oft leichter…
Wir wünschen allen, die es mal ausprobieren wollen, viel Spaß, ein tolles miteinander und gute Gespräche.